Deutsche Künstler sehen Italien I

Dr. Rainer Grimm

04.07.2020

Liebe Italienfreundinnen und freunde,

dies ist der erste Brief einer Reihe, in der ich Künstler (und mit Angelika Kauffmann leider nur eine Künstlerin) vorstellen werde, die zumindest eine Zeit in Italien gelebt und gearbeitet haben. Dazu kommen allerdingst noch zwei Herren, die als bildende Künstler nicht so bedeutend sind – aber da sie viele Künstler beeinflusst haben und auch sonst  wichtig gewesen sind, werden sie hier etwas ausführlicher gewürdigt werden. Mit dieser Fortsetzungsreihe möchte wir mit Ihnen und euch den Kontakt aufrechterhalten, der durch die Corona bedingten Regelungen doch arg eingeschränkt ist. So wird es also zu Beginn jeden Monats immer einen neuen Brief geben, in dem bekanntere und auch eher unbekanntere Kunst vorgestellt wird.

Schon sehr früh hat es unsere Vorfahren nach Italien gezogen. Im Grunde waren sicher schon die Germanenstämme von der Kultur und Lebensart der Römer angezogen – sogar Arminius der Cherusker hat lange in Rom gelebt und wurde römischer Staatsbürger – wie ja auch schon aus dem Namen ‚Arminius‘  hervorgeht. Und das, was wir heute verniedlichend ‚Völkerwanderung‘ nennen, war natürlich zuerst sicher dem Umstand geschuldet, dass es im Süden eben mehr zu essen gab – aber außerdem zogen auch die kulturellen Erzeugnisse die Menschen an. – (Wir sprechen ja heute gern von ‚Vandalen‘, wenn wir ein ausgesprochen unfreundliches Verhalten charakterisieren – die echten Vandalen waren der römischen Kultur sehr zugetan und haben sie geschätzt und geschützt).

Aber hier soll es ja vor allem um Menschen gehen, die Italien als Künstler gereizt hat. Als ich anfing, mich mit dem Thema zu beschäftigen, ging ich eigentlich davon aus, dass die Motive, warum es Künstler nach Italien gezogen hat im Grunde etwa die gleichen sind, die auch für uns heute gelten. Das Klima ist angenehmer, Essen und Trinken sind besser, die Städte und die Landschaften sind zum Malen attraktiv und abwechslungsreich, es gibt wunderbare Kunstwerke zu bestaunen, man kann vielleicht von großen Künstlern etwas abschauen usw. Ich denke, wir alle könnten weitere Vorzüge nennen.

Das waren also meine Gedanken – und so hatte ich eigentlich auch immer die Werke der Künstler betrachtet. In den nächsten Kapiteln werde ich aber herausstellen, dass es ganz unterschiedliche Motive gab, die die Künstler damals dazu gebracht haben, ziemlich anstrengende und auch nicht ungefährliche Strapazen auf sich zu nehmen, um über die Alpen nach Italien zu gehen. Ich werde dabei chronologisch vorgehen, beginne im späten 15. Jahrhundert und enden werde ich im 19. Jahrhundert – danach sind die wesentlichen Künstler bis auf Ausnahmen nicht mehr nach Italien gefahren, um dort zu arbeiten. Das hängt sicher damit zusammen, dass Wiedergabe / Abbildung / Mimesis nur etwa von der Renaissance bis maximal zum Impressionismus eine Aufgabe war. Die Moderne hat für sich andere Themen und Arbeitsbereiche gefunden.

Also beginne ich mit dem ersten großen Künstler, der zwei Reisen in Richtung Italien gemacht hat, mit Albrecht Dürer. Lange Zeit ging man davon aus, dass er beide Male bis nach Venedig gekommen ist, neuere Forschungen haben ergeben, dass er bei seiner ersten Reise vermutlich nur etwa bis zum Gardasee gekommen ist.

Albrecht Dürer

Dürer ist 1471 in Nürnberg geboren, sein Vater war Goldschmied und so musste auch Albrecht erst einmal diesen Beruf bei seinem Vater lernen. Nach dieser ersten Lehre durfte er dann aber doch noch eine zweite Lehre bei dem Maler Michael Wohlgemut machen. 1490 – mit nur 19 Jahren – hatte er auch diese zweite Lehre abgeschlossen. Im Anschluss daran machte er von 1490 bis 1494 eine Gesellenwanderung. Es ist nicht genau bekannt, ob er wie schon sein Vater dabei auch in den Niederlanden war – sicher ist aber, dass er zwischen 1492 und 1494 am Oberrhein, in Basel, Colmar und Straßburg war.

Dürer schreibt dazu selbst in späteren Jahren, dass sein Vater ihn 1490 weggeschickt und 1494 zurück nach Hause gerufen habe, um ihn bald darauf mit Agnes Frey zu verheiraten. Im Oktober 1494, also nur drei Monate nach seiner Heirat mit Agnes Frey reiste er wieder los, dieses Mal wanderte oder fuhr er über die Alpen.

Es ist sicher erstaunlich, dass ein junger Mann – Dürer war zum Zeitpunkt seiner Heirat 23 Jahre alt – nach so kurzer Zeit schon seine Frau verließ, um sich einer solchen Reise zu unterziehen. Was für Motive können dahintergesteckt haben, dass ein junger Maler und Ehemann so schnell wieder die Heimat verlässt?

Dazu muss man sich kurz die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in einer Stadt wie Nürnberg vorstellen. Es gab in der Stadt eine gesellschaftliche Elite, das ‚Patriziat‘ – diese Elite hatte die politische Macht. Dazu gab es aber auch erfolgreiche Kaufleute und wohlhabende Handwerker. Diese Familien wetteiferten miteinander, und so gab es neben der Herkunft und dem Besitz im späten 15. Jahrhundert auch schon ein anderes Distinktionsmerkmal – das war das soziale Kapital, das man sich durch Lateinkenntnisse, durch eine Bibliothek und durch Welterfahrenheit verdienen konnte. Die reichen Bürger schickten daher ihre Söhne auf Universitäten – am liebsten nach Padua oder Bologna. Es war schick, wenn man welterfahren geworden war, und dieses Wissen, die Kenntnisse, die man erworben hatte, wollte man natürlich auch nach außen darstellen.

So hatten Maler wie Michael Wohlgemut und später auch Albrecht Dürer eine gute Auftragslage. Dazu gehörte für sie aber auch, dass sie jeweils auf der Höhe der Zeit sein mussten – sie mussten ‚modern‘ malen und auf den Bildern musste deutlich werden, dass man sich in fremden Ländern auskannte und dass man auch Produkte aus diesen Ländern besaß.

Albrecht Dürer war 1494 von seiner Gesellenreise zurückgekehrt, hatte geheiratet und dann eine Werkstatt aufgemacht – aber in der Werkstatt fehlten ihm nun praktische und repräsentative Werkstattmuster. Was sollte er seinen potentiellen Kunden zeigen? Er hatte noch nicht viel vorzuweisen. Weiter war es allgemein üblich, dass es in solch einer Werkstatt Vorlagenblätter gab, an Hand derer man seine Bilder malen konnte.

Vermutlich hat er deswegen seine erste Reise über die Alpen angetreten. Lange hat man angenommen, dass er schon bei seiner ersten Reise bis nach Venedig gekommen ist – das wird heute aber von der Forschung angezweifelt. Es gibt eine Reihe von Aquarellen, die er unterwegs gemalt hat. Aber auf allen diesen Aquarellen sind Städte und Landschaften zu sehen, die sich noch im deutschen Sprachraum oder eben an der Grenze zum eigentlichen Italien befinden. Eines dieser Aquarelle zeigt die Brennerstraße mit dem Eisack – das ist ein Nebenfluss der Etsch, der auf dem Brenner entspringt.

Ich drucke dieses Aquarell aus einem Katalog von 2012 über den ‚Frühen Dürer‘ ab, auch meine Erkenntnisse über die frühen Arbeiten Dürers habe ich daraus entnommen. Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, das den Katalog erstellt hat, hat mir freundlicherweise den Abdruck erlaubt.

Zunächst sieht das Aquarell wie ein ganz normales Landschaftsbild aus, wie es viele Künstler in den vergangenen Jahrhunderten gemalt haben. Auf der linken Seite erhebt sich ein bewaldeter Berg, dann folgt ein Taleinschnitt, der Eisack fließt von dort gelblich- ockerfarben nach unten. Auf der rechten Seite schaut man im Vordergrund auf die Brennerstraße, man sieht darin tiefe Karrenspuren. Zum Eisack hin wird die Straße durch eine Mauer abgegrenzt. Nach rechts schließen schroffe Felsen das Bild ab.

Soweit scheint alles normal zu sein. Aber schaut man sich das Bild etwas genauer an, dann stellt man fest, dass es sehr überlegt komponiert ist. Es beginnt oben auf der linken Seite, zur Mitte hin senkt es sich ab, da ist es auch farblich am differenziertesten, nach rechts hin geht es wieder nach oben bis zum Bildrand. Dazwischen verläuft die ganz helle Spur der Mauer, die ziemlich genau in der Mitte dann nach unten aus dem Bild herausführt.

Wenn man etwas bekritteln will, dann ist es die Mauer – sie ist vorn genau so breit wie weiter hinten, dabei müsste sie perspektivisch gesehen nach hinten deutlich schmaler werden. Auch die Karrenspuren müssten vorn deutlich breiter als hinten sein. Überhaupt endet die Straße oben etwas gequetscht zwischen Felsen und Mauer.

Etwas anderes, was zunächst sicher auch kaum auffällt (und was ich auch erst gelesen habe), ist die Tatsache, dass es überhaupt kein Lebewesen auf dem Bild – und auch auf allen anderen Aquarellen von Dürer aus dieser Zeit gibt – dabei gibt es Statistiken, dass damals jeden Tag eine große Anzahl von Menschen über den Brenner gegangen oder gefahren ist. Spätere Maler – etwa aus dem 19. Jahrhundert – hätten mit Sicherheit Menschen mit in das Bild eingefügt. Das war etwas, was sie gerade interessierte. Davon ist hier aber nichts zu sehen. Alles das deutet darauf hin, dass dieses Aquarell, das auf den ersten Blick wie eine schnelle Farbskizze in und nach der Natur aussieht, sehr überlegt aufgebaut und komponiert ist. Wie auch alle anderen Aquarelle und Zeichnungen, die Dürer auf dieser ersten Wanderung gemacht hat, hat er auch hier sicher schon die Absicht gehabt, dieses Bild poten tiellen Kunden vorzulegen.

Eines der berühmtesten Aquarelle dieser ersten ‚Italienreise‘ ist das Bild der Burg von Arco. In einem Beitrag für den Deutschlandfunk sprach der Journalist Thomas Migge  anlässlich einer Ausstellung im Quirinale in Rom über dieses Bild. Er sagte: Albrecht Dürer malte die Ansicht der norditalienischen Ortschaft Arco nicht so, wie sie tatsächlich aussieht. Auf der Rückkehr von seiner ersten Reise nach Italien 1495 zeichnete und aquarellierte er Arco als idealisierten und ungemein bukolischen Ort. Die sanfte Farbgebung, die wattebauschähnlichen Bäume, das zarte Braun der Erde: alles deutet auf den Einfluß seiner italienischen Künstlerkollegen hin, die der Maler aus Nürnberg jenseits der Alpen gesucht hatte.

Wie aber schon geschrieben, ist es eher unwahrscheinlich, dass Dürer weiter nach Italien hineingekommen ist, und so kann er auch keine  Künstlerkollegen getroffen haben. Er ist aller Wahrscheinlichkeit nicht weiter als bis Arco – also bis zum Gardasee gekommen.

Dennoch stimmt natürlich vieles von dem, was Thomas Migge über dieses Bild sagt. Dürer hat die Burg von Arco sicher idealisiert gemalt – das hat nichts mit einer realistischen Wiedergabe zu tun. Ich habe gelesen, dass Forscher versucht haben, den Standpunkt zu finden, von dem aus Dürer gemalt haben könnte – man wurde nicht fündig. Ganz sicher ist das Aquarell also aus verschiedenen Ansichten  kompiliert.

Neben dem Herausstellen seiner Könnerschaft verfolgte er dann vermutlich noch zwei weitere Ziele – einerseits exotische Ansichten zu zeigen und andererseits Material zu haben, das er für Aufträge verwenden konnte.

Bei diesem Bild – der sogenannten ‚Haller Madonna‘ um  1498 gemalt – sieht man die Madonna vor einem roten Vorhang, auf der rechten Seite ist eine marmorierte Wand mit einem Blindfenster, auf der linken schaut man in eine Landschaft. Und ich denke, dass man da gut sehen kann, wie Dürer seine frühen Aquarelle in seine, ja später in Nürnberg gemalten Bilder einbezogen hat. Denn die Ansicht dieser Landschaft kann er nicht in seiner Stadt gehabt haben.

Mit diesem Bild beende ich diesen ersten Brief – im nächsten, der etwa in einem Monat erscheinen wird, geht es um die zweite Reise Dürers, die ihn dann tatsächlich nach Venedig geführt hat.

Dürer in Venedig

Im Sommer 1505 brach Albrecht Dürer ein zweites Mal nach Italien auf. Sein diesmaliges Ziel Venedig soll er, Spekulationen zur Folge, bereits bei der ersten Italienreise aufgesucht haben. Da es dafür aber keinen Beweis gibt und auch einige Indizien dagegen sprechen (ich hatte ja schon im ersten Brief darauf hingewiesen)  gilt dies heute als  zweifelhaft.

Für seine zweite Reise …. dieses Mal auf jeden Fall bis nach Venedig…. gab es vermutlich zwei wichtige Gründe. Erstens hatte er von den deutschen Kaufleuten in Venedig den Auftrag für ein großes Altargemälde erhalten, und zweitens war in Nürnberg gerade die Pest ausgebrochen. (Ich hatte ja schon gesagt, dass das auch als möglicher Grund für die erste Reise angegeben wird) … (schon stark, dass er dann seine Frau zuhause gelassen hat)

Aber immerhin – mit dem Auftrag in der Tasche hatte er einen guten Grund für die Reise, denn er sollte ein Bild der ‚Madonna mit der Rosenkranzbruderschaft‘ malen. Es war für die Kirche San Bartolomeo in Venedig bestimmt.  Dieses Bild machte Dürer, der bis zu diesem Zeitpunkt vor allem durch Grafiken und Zeichnungen bekannt geworden war, schlagartig berühmt.

Wie Briefe belegen, hatte Dürer keine besonders hohe Meinung von der Leistung seiner venezianischen Kollegen. Dieses Urteil beruhte weitgehend auf Gegenseitigkeit. Dürer berichtet immer wieder davon, dass die italienischen Maler behaupteten, seine Bilder seien unmodern und er nicht mit Farben umgehen könne. (“…er sei nur im Stechen gut, wüßt aber nit mit Farben umzugehn…”). Der einzige, der ihn offenbar von Anfang an schätzte – und dessen Arbeiten auch er anerkannte, war Giovanni Bellini.

Nun musste er sich in Venedig mit seiner Arbeit durchsetzen – und es gelang ihm auch.

Dargestellt ist die Madonna auf einem von Putten gehaltenen Baldachinthron. Zwei weitere Putten lassen eine Krone über ihrem Kopf schweben, ein Engel spielt zu ihren Füßen Laute. Maria, das Christuskind, der heilige Dominikus, dem die Entstehung der Rosenkranzandacht zugeschrieben wird, und weitere Putten verteilen Rosenkränze an eine Menschenmenge, die von Kaiser und Papst angeführt wird.

Die Rosenkranzbruderschaft wurde von Jacob Sprenger 1475 als Gebetsverbrüderung in Köln gegründet. In die erste Rosenkranz-Bruderschaft in Köln schrieb sich an erster Stelle 1475 König Maximilian I. ein, der im selben Jahr die Stadt Neuss befreit hatte, nachdem diese Maria angerufen hatte. Der Papst hätte die Gesichtszüge Julius II. aufweisen müssen, was Dürer jedoch vermied, denn Julius war ein Gegner Venedigs. (ich habe den Text von Wikipedia übernommen)

Dürer machte vor dem Beginn seiner Arbeit zahlreiche Studien und schildert die Umstände der Entstehung des Werks in den Briefen an seinen Freund Willibald Pirckheimer. Aus diesen Briefen geht hervor, dass Dürer die Arbeit aus gesundheitlichen Gründen unterbrechen musste und mit dem Bild sehr zufrieden war. So schrieb er am 23. September 1506 an Pirckheimer:

    „Ich teile Ihnen mit, dass es kein besseres Marienbild im ganzen Land gibt als das meine.[2]“ Dürers Selbstbewusstsein zeigt sich auch darin, dass er sich selbst am rechten Bildrand darstellte. Er hält ein Stück Papier mit der lateinischen Aufschrift:  

   Exegit quinque mestri / spatio Albertus / Durer Germanus MDVI / AD        

Mit diesem Zettel weist Dürer darauf hin, dass er das Gemälde in nur fünf Monaten des Jahres 1506 (MDVI) geschaffen habe. Das Buchstabenkürzel AD ist Dürers Signatur, die auf fast keinem Bild fehlt.

Vermutlich, um seine italienischen Kollegen zu verblüffen und ihnen seine Meisterschaft zu demonstrieren,  brachte er in dem Bild ein Detail an, das man heute nicht mehr sehen kann, weil das Bild im Dreißigjährigen Krieg stark beschädigt worden ist. Glücklicherweise ist aber schon in Venedig eine Kopie des Bildes angefertigt worden, sodass man sehen kann, wie es im Urzustand gemalt war.

Auf das Knie der Madonna hatte er nämlich eine Fliege gemalt – sie sollte vermutlich  den Eindruck erwecken, dass sie echt sei.

Damit spielte er sicher auf die berühmte Malerlegende an, die Plinius von den zwei größten antiken griechischen Künstlern so überliefert hat.

“Zeuxis malte im Wettstreit mit Parrhasius so naturgetreue Trauben, dass Vögel herbeiflogen, um an ihnen zu picken. Daraufhin stellte Parrhasius seinem Rivalen ein Gemälde vor, auf dem ein leinener Vorhang zu sehen war. Als Zeuxis ungeduldig bat, diesen doch endlich beiseite zu schieben, um das sich vermeintlich dahinter befindliche Bild zu betrachten, hatte Parrhasius den Sieg sicher, da er es geschafft hatte, Zeuxis zu täuschen. Der Vorhang war nämlich gemalt.”

Man kann sich vorstellen, dass sich u.a. auch durch diesen Trick die Meinung der übrigen venezianischen Künstler änderte.

Dürer schrieb:

    „Jtz spricht jeder man, sy haben schoner Farben nie gesehen.[3]“

Sogar der erste große Künstlerbiograph Giorgio Vasari hat ihn dann später in seinen ‚Vite‘ gewürdigt.

Aber das, was für uns und unser Italienbild wichtig ist, das hat ihn offensichtlich überhaupt nicht interessiert – er hat sicher keine ‚kunstgeschichtlichen‘ Interessen gehabt, es gibt keinen Beleg, dass er sich etwa in Padua die Fresken von Giotto in  der Scrovegni Kapelle angeschaut hat – auch andere, ‚unmoderne‘ Künstler waren für ihn nicht wichtig. Aber ihn interessierten auch nicht ‚Land und Leute‘, Italien und alles das, was dort angeboten wurde, waren für ihn vermutlich nur wichtig, wenn er es für seine Klientel in Nürnberg und für seinen persönlichen Erfolg nutzen konnte.

Damit schließe ich das Kapitel Dürer und fasse noch einmal zusammen. Die frühen Künstler – und da denke ich, steht Dürer exemplarisch dafür – reisten nach Italien, um ihre Reputation zu erhöhen, um sich anzuschauen, was gerade auf dem Markt angesagt war und auch, um exotisch anmutende  Vorlagen für eigene Arbeiten zu Haus zu gewinnen. 

Eigentlich alle Künstler waren in der Nachfolge Dürers von der italienischen Kunst beeinflusst, einige waren auch in Italien gewesen – die Motivationslage war aber bei allen sicher die von Dürer. Sie sahen sich die neuesten Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern an und versuchten sie für ihre eigene Produktion zu nutzen.

Im nächsten Brief geht es dann mit Winckelmann und Goethe um zwei Deutsche, die zwar selbst keine Künstler waren, jedoch mit ihren kunstphilosophischen Ideen viele Künstler beeinflusst haben.