Roger Atkinson
Was uns eine Busfahrkarte von 1899 über eine Fahrt durch die Dolomiten berichtet
Da ich im fortgeschrittenen Alter bin, unternehme ich von meinem Wohnsitz in Nord westengland kaum noch Reisen außerhalb des Landes. Dafür nehme ich gern Teile meiner langjährig aufgebauten Busfahrkartensammlung zur Hand und mache eine Zeitreise im Geist, die mich durch europäische Landschaften und Geschichte führt.
Der englische Baedeker The Eastern Alps (1899) empfiehlt für Touristen, zumindest im Sommer, die 32 Kilometer lange Strecke auf der AmpezzoStraße von Toblach (Dobbiaco), durch die Dolomiten bis Cortina d’Ampezzo. Diese Route im damaligen österreichischen Tirol führte durch eine der imposantesten Gebirgslandschaften Europas: vorbei am Dürrensee (Lago di Landro) und Gipfeln wie den Drei Zinnen (Tre Cime) und Monte Cristallo.
Die Fahrkarte aus der WalterSammlung (siehe meinen Beitrag über Florenz/Fiesole), für eine Reise am 9. August 1899, zeigt viele interessante Merkmale. Sie wird als OmnibusFahrkarte bezeichnet; Baedeker beschreibt das Vehikel als Stellwagen. Ein anderer Begriff auf Französisch oder Englisch, passend für ländliches Reisen, war diligence. Ganz gleich unter welchem Namen, es war wohl ein geschlossenes, pferde bespanntes Gefährt für acht oder mehr Passagiere. Die meisten Reisenden saßen innen, so dass das Dach hauptsächlich dem Gepäck vorbehalten war.
Der „Omnibus“ von Toblach konnte für die ganze Strecke bis Cortina oder für Teil strecken gebucht werden. Die Fahrkarte gibt E. Ueberbacher als den Omnibusbesitzer an. Tatsächlich besaß Frau Elise Ueberbacher damals auch das Grand Hotel Toblach, das sich zu einem Luxushotel entwickelte und in ganz Europa berühmt war. In diesem Hotel verweilte zum Beispiel Gustav Mahler; er komponierte seine neunte Symphonie und sein Lied von der Erde während seiner Sommeraufenthalte in Toblach. Baedeker besagt, dass die Abfahrt aus Toblach um 15 Uhr war; bis Cortina brauchte das Gespann 4 Stunden. Der Fahrpreis ist von Interesse, besonders wie es formuliert wird. Es gab 1892 eine Währungsreform in ÖsterreichUngarn. Bis solche Reformen in entlegenen Orten wirkten, konnte viel Zeit vergehen; alte Bezeichnungen und Münzen hielten sich. Bis 1892 war die Hauptwährungseinheit der Gulden bzw. Forint (alt: Florin). Ab 1892 war sie die Krone (100 Heller = 1 Krone). Die Fahrkarte gibt den Fahrpreis von Toblach nach Cortina als „2 fl. _ kr.“ (=2 Florinen bzw. Gulden und 0 Kreuzer, d.h. exakt 2 Gulden) an, was als 2 Gulden oder, bei einem Umrechnungskurs von 1:2, als 4 Kronen bezahlt wurde.