Dr. Rainer Grimm
01.05.2021
Liebe Kunstfreundinnen und –freunde,
im heutigen Brief geht es um zwei Künstler und einen Prinzen. Dass ich einen Prinzen hier etwas ausführlicher vorstelle, liegt daran, dass er bei den Künstlern in Rom außerordentlich beliebt war. Im letzten Brief hatte ich ja schon am Ende die Ansicht von Schnorr zitiert, nach seiner und der Meinung der Künstlerfreunde solle er König von Rom werden. Nun, das ist er natürlich nicht geworden, aber er war ganz offensichtlich ein großer Freund Italiens – insgesamt soll er in seinem Leben über siebzig Mal in Italien gewesen sein, „oft mehr als einmal im Jahr.“ [Wilhelm Bleek: Vormärz; Deutschlands Aufbruch in die Moderne 1815 – 1848 München 2019, S. 271] Bevor ich näher auf diesen Prinzen und späteren König Ludwig I von Bayern eingehe, soll jedoch erst einmal ein Künstler vorgestellt werden.
Es ist Franz Ludwig Catel (1778 – 1856). In Berlin geboren, wurde er als Holzbildhauer ausgebildet, wandte sich dann aber der Malerei zu. Nachdem er u.a. ‚Hermann und Dorothea‘ von Goethe illustriert hatte, wurde er 1806 ordentliches Mitglied der Berliner Akademie der Künste. Nach Aufenthalten in Paris und in den Alpen ging er 1811 nach Rom. Dort schloss er sich dem Künstlerkreis um Joseph Anton Koch an. Schon das deutet daraufhin, was ihn an der Kunst inte- ressierte – er war, ebenso wie Koch oder auch Reinhart, ein ‚Landschafter‘.
Die nebenstehende Zeichnung von Carl Christian Vogel ist 1813 in Rom entstanden. Man sieht einen leicht zur Seite blickenden mittelalten Mann. Er hat die Arme vor der Brust gekreuzt, so sieht man keine Hände. Das hat mich auf den ersten Blick überrascht – sind die Hände doch für einen bildenden Künstler ausgesprochen wichtig. Doch gibt es von Raffael ein Portrait, auf dem ebenfalls die Hände verdeckt sind – vielleicht wollte sich Carl Christian Vogel auf diese Zeichnung beziehen und so darauf hindeuten, dass für den wirklichen Künstler die Imagination wichtiger ist als die Ausführung.
Auf jeden Fall ist Catel gut ‚herausgeputzt‘. Die lässige Jacke, der offene Hemdkragen, das lockige Haar – all das deutet darauf hin, dass es sich um einen interessanten Mann handelt. [Wie ich schon in den anderen ‚Briefen‘ geschrieben habe, sind (bis auf extra angegebene Verweise) alle hier verwendeten Bilder ‚gemeinfrei‘ bei Wikipedia zu finden]
Catel malte Historien- und Genrebilder, namentlich aber Landschaften. Nicht nur für die damalige Zeit ist es erstaunlich, dass er von seiner Kunst leben konnte – offensichtlich gut, wenn nicht sogar sehr gut. Das ist gerade deswegen auffällig, weil etwa ein Joseph Anton Koch, dem er sich ja angeschlossen hatte, Schwierigkeiten beim Verkauf seiner Werke hatte. Catel scheint gute Be- ziehungen zu ausländischen Fürstenhäusern gehabt zu haben, das dürfte ihm beim Verkaufen geholfen haben. In wenigen Jahren verdiente er jedenfalls so viel, dass er sich ein Gut bei Macerata in der Mark Ancona kaufen konnte. Dort lebte er ab 1830 mit seiner Frau, die er noch in Rom geheiratet hatte.
In den Jahren danach reiste er viel, etwa nach England, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland. Die Berliner Akademie verlieh ihm 1841 den Titel eines Professors. Da er so gut situiert war und keine eigenen Kinder hatte, konnte er eine Stiftung für junge Künstler in Rom ins Leben rufen. Diese Stiftung besteht als ‚Pio Istituto Catel‘ bis heute. Nach seinem Tode wurde Franz Ludwig Catel in der Kirche Santa Maria del Popolo beigesetzt – auch das ist außerordentlich bemerkenswert.
Obwohl er ein solch erfolgreicher Maler war, ist er heute kaum noch bekannt. In den einschlägi- gen Kunstbüchern kommt er nur am Rande vor. Was mich besonders überrascht hat, ist die Tatsache, dass sein Portrait nicht einmal in den Sammelband ‚Porträts deutscher Künstler in Rom…‘ aufgenommen worden ist. Über dessen Entstehung heißt es: „In der Ponte Molle Gesellschaft kam 1832 die Idee zur Stiftung der ‚Sammlung von Bildnissen deutscher Künstler in Rom‘ auf. Sie sollte an die inzwischen abgereisten Künstler erinnern…“ Porträts deutscher Künstler in Rom zur Zeit der Romantik, Katalog 2008 S. 13] Zwar war Catel schon 1830 auf sein Gut gezogen, doch auch immer wieder in Rom. Was mag dazu geführt haben, dass er nicht in die Sammlung aufgenommen wurde? Hatte er sich zu wenig um die deutschen Künstler in Rom bemüht, wollte er keiner Vereinigung angehören – oder war er seinen Kollegen einfach zu erfolgreich? Dass er 1830 aus Rom weggezogen war, kann kein Grund sein – die ‚Samm- lung‘ sollte ja gerade die Künstler aufnehmen, die nicht mehr in Rom lebten. Tatsächlich finden sich darin auch viele Porträts von weggezogenen Künstlern.
Das nächste Bild zeigt den ‚Golf von Neapel mit einem Fruchthändler‘. Catel hat es 1822 gemalt. Aus meiner Sicht kann man schon an diesem Bild schön erkennen, was den Künstler auszeichnet – und was ihn vermutlich befähigt hat, seine Arbeiten so gut zu verkaufen.
Auf einem Weg, der aus der Bildmitte nach vorn führt, sieht man einen Esel, auf dem eine junge Frau sitzt, die ihr Kind stillt. Rechts und links vom Esel hängen zwei Taschen, in denen weitere Kinder sitzen. Daneben geht der Vater, er trägt auf dem Kopf einen Korb mit Früchten. Rechts neben ihm sieht man in Rückenansicht die Oberkörper von noch drei weiteren Menschen. Die Szene wird links und rechts durch Böschungen gerahmt. Im Hintergrund schaut man auf das blaue Meer, auf der linken Seite ragt ein kleines Stück von Neapel ins Bild, und in der Mitte erhebt sich der Vesuv mit der Rauchfahne.
Das Bild zeigt also alles, was das Herz begehrt. Ein klein wenig Erotik durch die offenherzige junge Frau, die Familienidylle, die Darstellung der ‚einfachen‘ Leute, die (damals) exotischen
Früchte, die auf dem Kopf getragen werden, ein idealtypisches Meer, das Wiedererkennen von Landschaftsfragmenten wie Neapel und den Vesuv. Das alles ist schön und glatt gemalt. Man sieht, dass Catel sein Handwerk wirklich beherrscht. Manch Reisender wird solch ein Bild gern erworben haben und konnte es, wenn er wieder in der Heimat war, vorzeigen, damit die Leute merkten, was er alles gesehen hat und wie man sich den Süden vorstellen soll.
Auch in die Ansicht dieser ‚Grotte bei Amalfi‘ hat Catel Figuren eingefügt, die das Bild (vermutlich handelt es sich um eine Radierung oder um einen Kupferstich) beleben. Hier hat der Künstler eine Art Rahmen um das Geschehen in der Mitte gelegt. So kann man aus der Dunkelheit der Grotte hinausschauen. Im Vordergrund, noch fast in der Grotte, kniet ein betender Mann. Ganz auf der linken Bildseite sieht man Frauen, die zu beten scheinen und die – vielleicht – betteln. Davor steht ein Mann mit einem dunklen Umhang, der mit der Hand energisch zur Seite weist. Für mich sieht es so aus, als ob er sie verjagen will. Im Hintergrund hat man wieder eine idyllische Ansicht auf Stadt und Meer.
Das nächste Bild, es ist von 1824, zeigt nun etwas ganz anderes. Es handelt sich um den Blick in die ‚Spanische Weinschänke‘ in Rom. Sie wurde scherzhaft ‚Die Stanzen Raffaels‘ genannt und war bei den Künstlern außerordentlich beliebt.
Auf der linken Seite steht ein Mann – es ist der Wirt – in jeder Hand hält er eine Flasche Wein. Da er sich leicht zur Seite dreht, wird der Blick automatisch auf den sitzenden Mann gelenkt, der mit dem rechten Arm auf ihn deutet. Es ist Kronprinz Ludwig, der dem Wirt offensichtlich die Anweisung gibt, welchen Wein er den Gästen bringen soll. Neben dem Prinzen sind auch alle anderen Personen am Tisch bekannt, es sind, bis auf wenige Ausnahmen, Künstler. Direkt neben dem Prinzen sitzt der damals hochberühmte dänische Bildhauer Bertel Thorwaldsen (auch er wird, da er sich in Rom den Deutschen zugehörig fühlte, in einem Brief noch genauer betrachtet werden). Auf die anderen gehe ich nicht weiter ein – nur einen will ich noch erwähnen, das ist Catel selbst, der ganz vorn rechts, fast mit dem Rücken zu uns am Tisch sitzt und zeichnet. Bemerkenswert ist noch, dass alle – auch der Prinz – sich ausgesprochen locker geben, da herrscht keine Etikette, die etwa bestimmt, wie man sich zu benehmen oder zu kleiden hat.
Wir sind heute durch die allgegenwärtigen Fotografien an Bilder gewohnt, auf denen Menschen lustig beieinandersitzen. Damals aber war jeder der Anwesenden erst einmal einzeln zu zeichnen. Schon da musste der Künstler wissen, wie und wo die Personen auf dem geplanten Bild zu sehen sein sollten. Solche Vorarbeiten wird der Maler an verschiedenen Tagen gemacht haben – vermutlich in seinem Atelier. An dem eigentlichen Bild wird er also lange, vermutlich mehrere Wochen gearbeitet haben. Und trotzdem sieht das Bild eher wie ein ‚Schnappschuss‘ aus, wie eine Momentaufnahme. Das ist aus meiner Sicht die große Leistung von Catel – ein Bild, an dem er vermutlich sehr lange gearbeitet hat, so aussehen zu lassen, als sei es spontan bei einem lustigen Umtrunk entstanden. Man versteht, dass ein solches Bild dem Kronprinzen gefiel, jedenfalls kaufte er es, es hängt heute in der Neuen Pinakothek in München.
Der Prinz wurde nach dem Tod seines Vaters 1825 als Ludwig I. (1786 – 1868) König von Bayern. Übrigens, dass Bayern heute mit ‚y’ geschrieben wird, hängt mit seiner Begeisterung für Griechenland zusammen – er meinte, das ‚y‘ sei das griechische ‚i‘.
Wie erwähnt, war er sehr häufig in Italien und ein großer Freund der Künstler. Dass München heute einen Ruf als Stadt der Künste hat, ist zu einem großen Teil auf ihn zurückzuführen. Wenn er in Italien war, kaufte er auch Kunst vor allem bei den in Rom ansässigen Künstlern.
Das Bild links ist ein repräsentative Ganzportrait Ludwigs, das Angelika Kauffmann 1807 gemalt hat. Da war der Kronprinz gerade 21 Jahre alt. Die Künstlerin hat neben der sicher standesgemäßen Kleidung und den Orden auch das eingebracht, was für den Prinzen wichtig war. Wir sehen den jungen Mann vor einer weiten Landschaft, in der aber auch ein Gebäude steht, das dem Kolosseum ähnelt – obwohl das natürlich nicht der Realität entsprach. Er berührt locker mit seiner rechten Hand einen Sockel, auf dem eine antike Vase thront. Schon auf diesem recht frühen Bild wird also seine Begeisterung für die Kunst und die Antike erkennbar.
Dass sich der Prinz mit den Künstlern sehr gut verstand, konnte man ja schon an der Szene erkennen, als er mit seinen römischen Freunden ungezwungen feierte. Es gibt aus der Zeit eine Vielzahl von Anekdoten über ihn, etwa wie er dem dänischen Bildhauer Thorwaldsen in seinem Atelier einen Orden an die „tonbefleckte Arbeitsbluse“ [Künstlerleben in Rom 1991, S. 165] heftete, oder wie er gemeinsam mit anderen Deutschen in Rom die ‚altdeutsche‘ Tracht trug, die in den deutschen Ländern von der Obrigkeit als revolutionär verboten worden war. Wenn sich ein Künstler diese Tracht nicht leisten konnte, soll der Prinz dafür sogar die Kosten übernommen haben. [Deutsches Leben in Rom 1907, S. 159]
Das alles macht mir den Prinzen sympathisch. Aber als König verstand er sich – wie die anderen Herrscher seiner Zeit auch – als von Gott eingesetzt, und so sah er überhaupt nicht ein, dass etwa das ‚Volk‘ mitbestimmen sollte. Schließlich führte seine Affäre mit der Tänzerin Lola Montez dazu, dass er im Revolutionsjahr 1848 abdankte.
Auf der rechten Seite sieht man ein Portrait des zweiundzwanzigjährigen Künstlers, das sein Künstlerfreund Carl Barth gezeichnet hatte. Der junge Mann trägt die Haare lang, sein Bart sprießt etwas schüchtern, auf dem Kopf hat er die Künstlermütze – das Barett, und um den Hals hat er locker ein Tuch geschlungen. Die Älteren unter uns werden sich sicher an die späten sechziger und frühen siebziger Jahre erinnern. Bis auf das Barett sahen wir Männer doch damals auch so aus! Jedenfalls muss man sich die Jugend damals vermutlich ähnlich aufmüpfig vorstellen, wie wir es in unserer Jugend waren.
Inhaltlich setzten sie natürlich andere Akzente. Ihr Ideal war ein einheitliches deutsches Vaterland. Die Studenten waren in Burschenschaften versammelt, einige von ihnen hatten gegen Napoleon gekämpft, sie tranken gern und gaben sich mit Sicherheit revolutionär. Aber ihr Ideal lag eben in der Vergangenheit, als alles aus ihrer Sicht noch ‚gut‘ war. Und da sich gerade die Künstler für die Zeit etwa um 1500 begeisterten, war es klar, dass sie auch so aussehen wollten wie die großen Kollegen damals. Dazu gehörte dann eben auch die ‚altdeutsche Tracht‘. Sie hat es in dieser Form vermutlich nie, jedenfalls nicht flächendeckend gegeben. Aber sie setzte sich in den Burschenschaftlichen Kreisen durch – da diese Kreise als ‚revolutionär‘ galten, wurden sie von der Obrigkeit entsprechend beobachtet, und wenn jemand solche Kleidung trug, galt er schon als verdächtig. Fohr hatte diese Kleidung in Heidelberg kennengelernt, er soll sie mit nach Rom gebracht haben.
Auf der nebenstehenden Zeichnung von Heinrich Hübsch sieht man Fohr mit seinem langen ‚deutschen‘ (oder wie man sogar teilweise sagte: ‚teutschen‘) Rock und seinem Hund Grimsel, der ihn nach Rom begleitet hatte. Die beiden gehen zu einer Gruppe von Künstlern, die unter einer Laubhütte tafeln und trinken. Der Zeichner hat Fohr besonders hervorgeho- ben, indem er ihn allein wiedergibt. [Die Zeichnung von Hübsch mit freundlicher Genehmigung © Kupferstich-Kabinett Dresden, SKD] Die anderen Künstler sind zu einer Gruppe zusammengefasst und werden nicht einzeln charakterisiert.
Jedenfalls hat der ‚deutsche Rock‘ bei den patriotischen Künstlern so viel Aufsehen erregt, dass auch die anderen so etwas tragen wollten. Sogar der bayrische Kronprinz trug ihn, wie gesagt. Das revolutionäre Gehabe der Studenten drückte sich nicht nur in der Kleidung aus – sie waren zumindest teilweise auch bereit, für ihre Ideale oder auch nur für ihre ‚Ehre‘ zu kämpfen. Auch Fohr muss recht streitlustig gewesen sein. Mit seinem Freund Ludwig Sigismund Ruhl, der ihm noch in München die Ölmalerei nahegebracht hatte und mit dem er in Rom zeitweise in der Casa Ruti zusammenlebte, hat er sich sogar duelliert. Die beiden hatten sich so zerstritten, dass es aus ihrer Sicht offensichtlich für sie keine andere Lösung gab. Die beiden fuhren also mit den Sekundanten hinaus nach S. Paolo fuori le mure und schossen dort aufeinander – glücklicherweise schossen beide aber daneben. [ Peter Härtling: Tage mit Echo S. 228ff Mich hat sehr erstaunt, dass dieses für uns heute doch sehr bemer- kenswerte Ereignis von Friedrich Noack in seinem Buch über ‚Deutsches Leben in Rom‘ überhaupt nicht er- wähnt wird.]Das ist nun etwas, was wir uns heute überhaupt nicht mehr vorstellen können.
Neben seiner Streitlust war Fohr aber ein gern gesehener und hoch akzeptierter Künstler. An sich war er ja ‚Landschafter‘ – als solcher hatte er sich Josef Anton Koch angeschlossen, andererseits suchte er aber auch den Kontakt zu Cornelius, der eher für die Nazarener stand.
Die ‚Cascatelle von Tivoli‘ auf diesem Bild waren bei den deutschen Malern in Rom ein sehr begehrtes Objekt. Fohr zeigt mit diesem Bild, dass er ein recht guter‚Landschafter‘ war. Im Hintergrund sieht man die Stadt Tivoli, davor befinden sich die berühmten Wasserfälle. Die Bäume sind zwar etwas zu einförmig gemalt, aber der Landschaftseindruck ist dennoch gelungen.
Typisch für Fohr ist aus meiner Sicht nun, dass er sich nicht mit der Darstellung einer reinen Landschaft begnügt, in die etwa Figuren zur Dekoration hineingestellt sind. So etwas hatten die anderen ‚Landschafter‘ auch gemacht. Fohr will offensichtlich eine Geschichte erzählen, die (vielleicht) eine Moral enthält. Und das ist etwas, was ihn mit den Nazarenern verbindet.
Auf der linken Seite sitzt eine spinnende junge Frau. Ein junger Mann sitzt zu ihren Füßen, er hat seinen Arm auf ihren Oberschenkel gelegt. Links daneben kniet noch ein anderer Mann, bis auf die roten Hosen ist er aber kaum zu sehen. Von hinten kommt nun ein anderer Mann mit einem langen Stecken. Er wirkt sehr aufgeregt. Vielleicht handelt es sich um eine Eifersuchtsszene. Jedenfalls sieht es sehr dramatisch aus, wie er angestürmt kommt.
Von all dem aber völlig unberührt geht ein alter Mönch mit einem langen Stab barfuß nach rechts aus dem Bild heraus. Er kümmert sich weder um die junge Frau noch um den aufgeregt laufenden Mann. Der Mönch ruht in sich – ich denke, dass die Botschaft darin besteht, sich aus dem Lärm der Welt herauszuhalten und sich der Meditation und dem einsamen Leben zu widmen.
Vor seinem frühen Tod begann er dann noch mit einer Arbeit, die er nicht mehr fertigstellen konnte. Er wollte die Künstlergemeinde des Caffè Greco malen. Dazu kam es nun nicht mehr, vermutlich ist das aber auch der Grund dafür, dass es noch Skizzen und Studien zu diesem Bild gibt. Nachdem er gestorben war, wurden seine Zeichnungen von den Kollegen aufgehoben – sonst wären sie sicher weggeschmissen worden. Bei den folgenden Zeichnungen von Fohr kann man also gut sehen, wie ein solches Bild entstand. Ähnlich wird wahrscheinlich auch Catel bei seinem Bild mit der Künstlergesellschaft in der spanischen Weinschänke vorgegangen sein.
Auf der linken Seite ist der zweite Entwurf für das geplante Bild zu sehen. Fohr hat die Architektur des Caffè grob angedeutet – es kam ihm offensichtlich schon bei diesem Entwurf viel mehr auf die Besucher des Caffè Greco als auf die Umgebung an. Seine Idee war es, die Künstlergemeinschaft wiederzugeben. Dazu trennte er die beiden herrschenden Gruppen auch räumlich.
Auf die linke Seite sollte die Gruppe der Landschafter und auf die rechte Seite die der Nazarener gemalt werden. Sich selbst hat er etwa in die Mitte platziert – man kann ihn gut an seinem Hund Grimsel erkennen, hinter dem er sitzt. Vielleicht sollte es ein Statement sein, sich selbst zwischen die beiden Gruppen zu setzen.
Neben Fohr hat er schon Overbeck angedeutet. Das Portrait von ihm auf der rechten Seite hat er vermutlich in seiner Her- berge, der Casa Buti gezeichnet. Man sieht einen jungen Mann, ebenfalls mit schulterlangen Haaren, er hat die Augen geschlossen, den Kopf nach unten gesenkt – ganz offensichtlich wollte Fohr ihn auf dem späteren Bild als einen zutiefst nachdenklichen Menschen wiedergeben. Typisch für alle diese vorbereitenden Portraits ist, dass jeweils nur das Gesicht differenziert ausgearbeitet ist. Das Gesicht war das Wichtigste, Kleidung konnte später nachgearbeitet werden. Rechts neben Fohr sollte auf dem endgültigen Bild dann Philipp Veit, über den ich beim letzten Brief geschrieben habe, platziert werden. Leider habe ich bei ‚Wiki‘ nur das Portrait von Overbeck gefunden.
Die linke Gruppe ist schon etwas differenzierter ausgearbeitet – der nach links schauende Mann mit der langen Pfeife ist der Maler Johann Martin von Rohden. Ihm gegenüber sitzt Josef Anton Koch. Andere Personen sind dagegen nur grob angedeutet. Dass einige der Künstler schon genauer wiedergegeben werden, liegt einfach daran, dass er von diesen offensichtlich schon einzelne Portraits angefertigt hatte.
So, der April ist fast vergangen, die Sonne scheint – wir schauen etwas hoffnungsfroher in die Zukunft…. bis zum nächsten ‚Brief‘ Ende Mai
Cordiali saluti Rainer Grimm