Birgitta Usnacht
San Cristo ist ein größerer Komplex: Kirche, Kreuzgänge und Kloster. Während ich das verschlossene Hauptportal betrachte, ruft mir ein älterer Herr zu, es sei geöffnet. Ich gehe zum Eingang der Anlage und folge dem Hinweisschild Richtung Kirche, die ich von einem kleinen Kreuzgang aus betreten kann. Fast alle Wände sind bemalt. Obwohl mich die Malereien nicht beeindrucken, mache ich ein paar Erinnerungsfotos.
Nun beginnt der Herr, mir zu erklären, was auf den Fresken zu sehen ist. Er sagt auch, die Kirche würde die Sixtina von Brescia genannt, weil auch hier das Jüngste Gericht dargestellt sei. So ruhig, wie er das ausspricht, klingt es nicht überheblich. Dann gibt er mir einen kurzen Abriss der italienischen Malerei. Er erläutert die unterschiedlichen Malerschulen, erwähnt, dass man Arbeiten von Tiepolo auch in Würzburg sehen kann und schildert das Leben Caravaggios. Der habe viel gestritten, sei nach Malta gegangen und habe auch dort gestritten. Später sei er unter schrecklichen Umständen auf dem Weg von Neapel nach Rom gestorben. Mein selbsternannter Reiseführer erwähnt den Brescianer Maler Foppa und sagt, der habe Caravaggio beeinflusst. Den Namen Foppa habe ich vorher noch nie gehört. Dann beginnt der ältere Herr, die Maltechniken zu erklären. Er erklärt, wie ein Fresko entsteht und warum man es von der Wand abnehmen kann. Dafür gibt es in der Kirche ein Beispiel, ein großes Bild, das wegen Feuchtigkeitsschäden von der Wand entfernt und dann vor der Wand aufge hängt wurde. Dürer sei nach Venedig gekommen, um die FreskoTechnik zu erlernen. Am Ende dieser „Lehrstunde“ zeigt der Herr auf ein Fresko und sagt, da fehlt Christus, statt seiner habe man eine Tür eingebaut. Mir scheint, damit kann er leben, es hat vielleicht einen gewissen Reiz für ihn.
Ich bedanke mich und sage, dass ich nun zum Kastell gehen will. Er findet das eine gute Idee und geht mit mir hinaus, um mir den besseren von den zwei möglichen Wegen zu zeigen. (2013)