Gubbio, Umbrien

Alexander Mlasowsky

Kunst und Kultur – das bietet Italien in breiter Fülle: antike Bauten, renaissancezeitliche Skulpturen, barocke Gemälde – die wunderschönen Landschaften und pittoresken engen Gassen in den Städten. Doch das Land zeigt auch eine völlig andere Seite. Die präsentierten Photos sind vielleicht nicht schön, aber dafür aus der Sicht des Natur­ wissenschaftlers hochspannend. Die Schichtenfolge sowie beide Steine stammen von Bottaccione Gorge, einer Straße in den Apenninen, oberhalb von Gubbio.

Die harmlos wirkenden Schichten zeigen eine der größten Naturkatastrophen, die es auf der Erde gegeben hat. Eine tiefe, diagonal verlaufende Schicht trennt eine weiße, leicht rötliche Schichtenfolge in der rechten unteren Hälfte von einer rotbraunen Folge links oben. Die schmale trennende Zone besitzt eine spektakulär hohe Anreicherung von Iridium, einem Metall, das auf der Erde selten auftritt und in dieser Konzentration nur in Meteoriten bekannt ist.

Das Photo zeigt – von rechts unten nach links oben – eine Abfolge der Schichten der späten Kreidezeit (oberstes Maastrichtium), eines geologischen Zeitalters, in dem die Dinosaurier die beherrschende Lebensform waren. Ein gewaltiger Meteorit schlug nördlich von Yucatan (Mexiko) in die Erde ein und löste eine weltumspannende Katastrophe aus, in der die Dinosaurier und 75 Prozent der Tier­ und Pflanzenarten in kürzester Zeit ausstarben. Weltweite Flächenbrände, riesige Tsunamis rollten über die Erde und vernichteten alles, was im Wege war. Das herausgeschlagene Gestein und der pulverisierte Meteorit verteilten sich über die Erde. Überall sank allmählich der Staub zu Boden und wurde zu einer Schicht, die in der Forschung als „Iridium­Schicht“ bezeichnet wird. Jenseits dieser Schicht beginnt eine neue Epoche, das Paläogen.

Daher wird diese Schichtenfolge als „K­P­Grenze“ bezeichnet. Ein neues Zeitalter mit neuartigen Tieren, den Säugetieren, brach an. Das Massenaussterben ist im Gestein selbst erkennbar. Bei den kleinen Pünktchen, die im weiß­rötlichen Gestein, wie kleine Stecknadelköpfe, zu erblicken sind, handelt es sich um kalkschalenbildende Einzeller, sog. Foraminiferen. In dieser anschließenden rotbraunen Schicht sind sie nicht mehr zu entdecken. Sie sind der Katastrophe zum Opfer gefallen.

Spätkreidezeitliche / frühpaläogene Schichtenfolge mit der Iridiumschicht in der Mitte (eigene Aufnahme)
Eine Auswahl von stecknadelgroßen Foraminiferen (rezent, stark vergrößert; Quelle: pinterest.de)
Bottaccione Gorge: Straße oberhalb von Gubbio mit spätantikem Aquädukt (Jan. 2017, eigene Aufnahme)
Gesteinsprobe wenige zehntausend Jahre vor der Katastrophe MIT punktförmigen Foraminiferen (oberes Maastrichtium, 66 Millionen Jahre alt; eigene Aufnahme)
Gesteinsprobe wenige zehntausend Jahre nach der Katastrophe OHNE punktförmigen Foraminiferen (unteres Danium, 66 Millionen Jahre alt; eigene Aufnahme)