Dr. Rainer Grimm
01.03.2021
Liebe Italien- und Kunstfreundinnen und –freunde,
im letzten Brief habe ich mit den ‚Deutschrömern‘ eine wichtige Gruppe deutscher Künstler in Rom vorgestellt. Ihre Art zu leben erinnerte stark daran, wie man sich ein Künstlerleben gern vorstellt und wie es beispielsweise Henri Murger in seinem Roman über die Pariser Boheme beschrieben hat. Dieser Roman erschien aber erst 1851 – und, wie man sehen kann, gab es neben der ‚pariser‘ also sicher auch schon so etwas wie eine ‚römische Boheme‘.
Die Mitglieder dieser ‚Deutschrömer‘ waren, vereinfacht gesagt, vor allem aus zwei Gründen nach Italien gekommen. Sie wollten einerseits der Enge der Heimat entfliehen, andererseits wollten sie sich aber auch an der Antike schulen. Daneben genossen sie das Leben.
In diesem Brief geht es nun um eine Künstlergemeinschaft, die aus ganz anderen Motiven nach Rom gekommen war. Die ‚Lukasbrüder‘, wie sie sich selbst nannten (die anderen Namen, die für sie gebräuchlich waren oder sind, werde ich später betrachten) übersiedelten nach Rom, um in der Nähe des Zentrums der katholischen Kirche zu sein, zugleich suchten sie das mittelalterliche Rom, wie überhaupt bei vielen jungen Künstlern das Mittelalter wichtiger wurde als die Antike.
Der Bund dieser Lukasbrüder entstand in Wien. Friedrich Overbeck, Franz Pforr, Ludwig Vogel und Johann Konrad Hottinger studierten an der dortigen Akademie und waren mit dem strengen, formal orientierten Unterricht unzufrieden. Sie wollten etwas Anderes, sie wollten die Erneuerung der Kunst im Geiste des Christentums. Die beiden wichtigsten Künstler dieses Bundes waren Friedrich Overbeck (1789 – 1869) und Franz Pforr (1788 – 1812) daher werde ich sie etwas genauer betrachten.
Overbeck stammte aus Lübeck – sein Vater war Bürgermeister, Senator, Domherr, Jurist und daneben noch Dichter. Von ihm stammt etwa der Text von: „Komm, lieber Mai, und mache…“. Man muss sich nur einmal überlegen, was die Herkunft für den jungen Friedrich bedeutet haben mag. Er wurde in eine Patrizierfamilie geboren,
wo es, etwa beim Vater, auch künstlerische Interessen gab. Aber sicher war für den Jungen etwas anderes vorgesehen, als ausgerechnet Künstler zu werden. Dennoch setzte sich der Junge durch, und nachdem er zunächst Zeichenunterricht in Lübeck erhalten hatte, durfte er 1806 – mit nicht einmal siebzehn Jahren – nach Wien an die Akademie der Künste gehen.
Auf dem nebenstehenden Selbstportrait sieht man einen ernst blickenden jungen Mann, sein Kopf ist leicht gesenkt, der Mund geschlossen, er trägt die typische Kopfbedeckung der Künstler in dieser Zeit. Charakteristisch ist, wie das Gesicht klar konturiert wiedergegeben ist, und sich die Zeichnung nach unten hin immer mehr auflöst.
Franz Pforr hingegen war der Sohn eines auf Pferde spezialisierten Malers in Frankfurt. Als seine Eltern früh starben, kam er zu einem Onkel nach Kassel (der Teil der großen Künstlerfamilie Tischbein war). Er bildete ihn weiter aus, sodass er 1805, wie ein Jahr später auch Overbeck, nach Wien an die Akademie gehen konnte.
Sein Selbstportrait von 1810 zeigt ihn ebenfalls ernst und gesammelt. Beim Malen muss er in einen Spiegel geschaut haben, so hat man den Eindruck, dass er den Betrachter, also uns ansieht. Obwohl das Bild farbig ist, sieht man doch, dass die Zeichnung bei ihm der Ausgangspunkt war. Und diese Dominanz der Zeichnung gilt für die ganze Gruppe. Ähnlich wie die klassizistischen Maler gingen auch diese Künstler immer von der Linie aus – sie waren also an sich Zeichner, die nachträglich kolorierten.
Wie erwähnt, waren die genannten vier Studenten Overbeck, Pforr, Vogel und Hottinger mit dem Unterricht in Wien nicht zufrieden. Zumeist sollten sie im Antikensaal sitzen und Abgüsse von Skulpturen zeichnen. (Es gab im ganzen 19. Jahrhundert das geflügeltes Wort: ‚Gips wackelt nicht…‘) Die Vorschrift richtete sich unter anderem gegen das Zeichnen vor einem lebenden Modell oder vor der Natur. In ihren farbigen Arbeiten mussten sich die Studenten grundsätzlich an klassizistischen Vorbildern orientieren. Maler wie etwa Albrecht Dürer, Hans Holbein der Jüngere oder Hans Baldung Grien wurden von den Lehrenden als Primitive gewertet.
Man kann sich vorstellen, wie junge Leute darauf reagierten – und vermutlich auch heute reagieren würden. Sie lehnten sich auf und suchten einen anderen Weg. Das ganze Studium war ihnen zu schematisch, nur an der Technik orientiert. Tatsächlich spielten Inhalte, die für sie wichtig waren, in der Lehre keine Rolle. Overbeck, Pforr und die anderen wollten mit ihrem Tun etwas bewirken – und da die Kunst ja für Jahrhunderte eine wichtige Funktion innerhalb der Kirche gehabt hatte, wollten auch sie nun diesen Weg gehen. Zu ihrem Weltbild erhoben sie so das christliche deutsche Mittelalter.
Overbeck schrieb an seinen Vater: „Man lernt einen vortrefflichen Faltenwurf malen, eine richtige Figur zeichnen, lernt Perspektive, Architektur, kurz alles – und doch kommt kein richtiger Maler heraus. Eins fehlt … Herz, Seele und Empfindung.“ (Wikipedia Nazarener)
Daher ist es verständlich, dass sie für sich wieder die alte – zunächst vor allem deutsche – Kunst entdeckten. Die Maler um Dürer herum und dann später auch die Älteren vor Dürer wurden von ihnen neu bewertet, für sie waren das nun die maßgeblichen Künstler, während die klassizistischen Zeitgenossen als belanglos abgetan wurden. So taten sich die vier Genannten schon in Wien zusammen und gründeten den ‚Lukasbund‘. Der Evangelist Lukas hat der Legende nach ein Bild der Gottesmutter Maria gemalt. Schon am Namen kann man erkennen, wie sehr sie sich der Kirche zugehörig fühlten.
1810 gingen die vier jungen Männer nach Rom und zogen bald in das von Franziskanermönchen verlassene Kloster Sant‘ Isidoro. Hier versuchten sie ihre Ideen einer christlich orientierten, gemeinsam arbeitenden Künstlergruppe Wirklichkeit werden zu lassen. Ihre Forderung war es eben, Kunst und Leben wieder zu vereinen. Gleichzeitig sollte – durch die Erneuerung des Religiösen in der Kunst – ein neues nationales Selbstbewusstsein entstehen. Die Bibel wurde das wichtigste Buch, dazu kamen aber auch deutsche Sagen und Geschichten – aus all dem schöpften sie die Motive ihrer Bilder.
Für gut zwei Jahre lebten die jungen Künstler fast mönchisch in diesem ehemaligen Kloster. Jeder bewohnte eine Klosterzelle, abends aß man im ehemaligen Refektorium, anschließend wurde diskutiert und die Bibel gelesen. Man unterstützte sich auch in der bildnerischen Arbeit.
Heute sieht das Kloster anders aus – die ganze Umgebung hat sich stark verändert. Dort, wo damals noch viel freie Fläche war, sind längst Straßen.
Auf dem nebenstehenden Bild von Friedrich Overbeck kann man in eine der Klosterzellen schauen – der Künstler hat es in San Isidoro gemalt. Wir sehen einen kleinen, schlichten Raum. Bis auf den Hocker, auf dem Christus sitzt, scheint kein weiteres Mobiliar vorhanden zu sein. Durch das Fenster sieht man auf die Szene mit dem
‚Barmherzigen Samariter‘. Christus hat die Hand zum Redegestus erhoben – er spricht zu der stehenden Martha. Sie hatte sich beschwert, dass ihre Schwester Maria nur sitze und Jesus zuhörte während Martha selbst die Arbeit machte. Overbeck holt also das an sich historische Geschehen in seine unmittelbare Umgebung.
Auch äußerlich passten sich die Künstler dem Mönchsleben an. Sie trugen einfache, nachlässige Gewänder und lange Haare – letzteres ist vermutlich auch der Grund dafür, dass sie später ‚Nazarener‘ genannt wurden. Zwar ist nicht ganz sicher, wer sie zuerst so genannt hat, aber in jedem Fall soll die Haartracht dafür entscheidend gewesen sein. Heute werden sie vor allem unter diesem Namen in der Kunstgeschichte geführt.
An unsere späten sechziger und an die siebziger Jahre erinnere ich mich noch gut, als auch wir lange Haare und Bärte hatten, eher nachlässig gekleidet waren und – ‚Jesuslatschen‘ trugen. So weit ist das also gar nicht entfernt …
Der von mir schon häufig genannte Johann Christian Reinhart, der die ‚Brüder‘ natürlich heftig verachtete, schrieb später unter anderem über sie: „Haupthaar und Bart lassen sie lang und ungekämmt wachsen. Blasse Gesichtsfarbe gilt bei ihnen für Schönheit, die sie auch künstlich hervorzubringen wissen. Sie verdrehen gern die Augen und senken den Kopf nach einer Schulter. Manche waschen sich nicht, beschneiden auch die Nägel nicht.“ (Peter Gayer: Rom, Landsberg am Lech 2000 S. 304)
Ein anderer klassizistischer Künstler nannte sie wegen ihrer Vorliebe für Dürer die ‚Nürrenberger‘, und die Franzosen sollen sie als ‚les tragédiens allemands‘ bezeichnet haben. Man kann sich also gut vorstellen, welche Auseinandersetzungen die Künstler untereinander hatten. Die
‚alten‘, klassizistisch orientierten Maler, die gern etwas tranken, eher freigeistig waren und überhaupt das gute Leben liebten, wurden plötzlich mit Kollegen konfrontiert, mit deren Verhalten sie gar nichts anfangen konnten.
Doch 1812 war es mit der mönchischen Idylle schon vorbei. Die Mitglieder zogen aus dem Kloster aus und wohnten von nun an in normalen Pensionen. Obwohl sie damit ihr mönchisches Leben aufgaben, blieben sie fest in ihren Glaubensüberzeugungen. Viele der Nazarener, die ursprünglich Protestanten waren, konvertierten zum Katholizismus. Darunter war auch Friedrich Overbeck. Und das muss für seine Familie in Lübeck eine Katastrophe gewesen sein – der in seiner Stadt hoch geachtete Vater war neben seinen sonstigen Tätigkeiten und Ehrenämtern immerhin auch protestantischer Domherr. Für ihn war die Konversion seines Sohnes ein „schwerer unverdaulicher Brocken“. (F. Noack: Deutsches Leben in Rom 1700 – 1900 Reprint S. 161)
Der junge Overbeck soll so asketisch gewesen sein, „dass er sich schämte, nach dem nackten weiblichen Modell zu zeichnen, und wäre wohl gar Mönch geworden, wenn nicht Fräulein Anna Schiffenhuber-Hartl, entschlossener als er, ihn im Jahre 1818 geheiratet hätte“. (F. Noack: S. 160)
Trotz dieser für uns heute doch eher unverständlichen Wendung junger Künstler zur katholischen Kirche und den Zwängen, die das sicher mit sich brachte, schlossen sich weitere Künstler dem Lukasbund an. Ich führe die Namen hier nur auf – einige von ihnen werden später noch vorgestellt werden. Das sind vor allem Ludwig Schnorr von Carolsfeld, Philipp Veit, Peter von Cornelius, Franz Ludwig Catel, Wilhelm Schadow, Carl Philipp Fohr – dazu der hier schon gewürdigte Joseph Anton Koch. Er war zwar eine Generation älter als die jungen, aber trotzdem machte er bei ihnen mit – vielleicht weil er durch sie auch gut an Kunden herankam.
Die Nazarener bekamen zwei große Aufträge, durch die sie weit über die Grenzen Roms hinaus bekannt wurden. Der erste war die Ausmalung eines Raums im Palazzo Zuccari. Dort wohnte der preußische Botschafter Jacob Salomon Bartholdy. Der zweite Auftrag kam von einem Römer, dem Fürsten Carlo Massimo, der die Nazarener mit der Ausmalung eines ‚Casinos‘ beauftragte, also eines einfachen Sommerhauses. Dieses ‚Casino‘ kann heute noch in Rom besichtigt werden. Es ist ein idyllischer Ort in der Nähe von San Giovanni in Laterano. Vor einigen Jahren war ich dort – und ich war fast der einzige Besucher. Es lohnt sich ein Besuch. Hier gehe ich hier auf ein Bild aus der Josefsgeschichte von Overbeck in der ‚Casa Bartholdy ein. Alle Bilder sind hier ‚al fresco‘ ausgeführt – eine Technik, die früher viel für die Wandmalerei genutzt wurde, doch als die ‚Nazarener‘ die Casa Bartholdy ausmalten, war sie schon fast vergessen. Zum Glück fand sich ein alter Maurermeister, der sich noch mit der alten Technik auskannte und den Malern helfen konnte.
Insgesamt haben neben Overbeck noch Peter Cornelius, Philipp Veit und Friedrich Wilhelm von Schadow daran mitgearbeitet. Dass vier Künstler gemeinschaftlich den Raum ausmalten, weist schon auf die Haltung der Nazarener hin – es sollte eine Gemeinschaftsarbeit werden. Dargestellt an den verschiedenen Wänden ist die Josefsgeschichte aus dem Alten Testament.
Jakob, Erzvater Israels, bevorzugt seinen Sohn Josef vor den anderen. So schenkt er ihm unter anderem einen schönen farbigen Rock. Josef wird überheblich, und die Brüder beginnen ihn zu hassen. Als sie einmal gemeinsam auf dem Felde sind, beschließen sie, den arroganten Jungen in eine Zisterne (Overbeck malt stattdessen einen Brunnen) zu werfen. Er wird aber von anderen Leuten herausgezogen und schließlich an ägyptische Händler verkauft. Friedrich Overbeck hat die Geschichte hier so wiedergegeben, dass man mehrere Szenen gleichzeitig erleben kann. Ganz im Hintergrund links sieht man den Knaben in einem roten Gewand mit einigen Schafen. Etwas weiter vorn sitzen die Brüder und beratschlagen, was sie mit ihm machen sollen. Im Vordergrund links sind die Männer, die ihn aus dem Brunnen gerettet haben, sie verkaufen ihn gerade an ägyptische Händler, die mit Kamelen von rechts oben herabgekommen sind. Nachdem sie den Jungen gekauft haben, ziehen sie auf der rechten Seite weiter. Josef, nur mit einem Schurz bekleidet, geht weinend mit.
Das ist eine Art zu malen, wie sie zu dieser Zeit überhaupt nicht mehr üblich war. In einem Bild mehrere Szenen zu vereinen – das hatte man in mittelalterlicher Malerei und noch in der Frührenaissance gemacht. Daran sieht man sehr schön, wie Overbeck und seine Mitstreiter in die Zeit vor der Hochrenaissance zurückgingen, denn dort, so vermuteten sie, sei die Welt noch in Ordnung gewesen. Nicht nur in der Anordnung, auch mit der Maltechnik nahmen die Nazarener die Zeit vor Raffael wieder auf, und so wurde eine Gruppe englischer Künstler später auch als‚Präraffaeliten‘ bezeichnet.
Die anderen romantischen Maler in Deutschland waren nicht so religiös gebunden wie die Nazarener. Doch auch für sie wurde das ‚Altdeutsche‘ maßgeblich. Sie waren von Ludwig Tieck und Wilhelm Heinrich Wackenroder beeinflusst und orientierten sich in ihrer Malerei ebenfalls an Dürer und den älteren Malern. Das gilt auch von der Architektur, in der für den Bau von Kirchen die Gotik wiederentdeckt wurde.
Aber noch einmal zurück zu dem Fresko mit der Josefsgeschichte. Schaut man sich die Landschaft an, wirkt sie überhaupt nicht so, wie man sich die biblische vorstellt. Tatsächlich hat Overbeck die Szene des Verkaufs nach Mitteleuropa verlegt. Zugleich wird noch etwas anderes deutlich, was die Lukasbrüder auszeichnet – die biblischen Geschichten werden so gestaltet, dass sich die Zeitgenossen darin wiederfinden konnten. Für sie war das Bild gemalt – es sollte keine historische, längst vergangene Begebenheit zeigen, sondern unmittelbar so verstanden werden können, dass die Betrachter es auf ihr eigenes Leben bezogen. Und schaut man sich den jungen Mann am rechten Bildrand an, dann stellt man fest, dass er anders gekleidet ist als die anderen. Er blickt auch – aus dem Bild heraus – auf uns. Und lädt uns gewissermaßen ein, das biblische Geschehen mit ihm zu betrachten und darüber nachzudenken, was diese Geschichte mit uns und unserer Gegenwart zu tun hat.
Für diese jungen Leute waren also andere Werte wichtig als für die klassizistischen Maler. Für sie waren die Heimat und der Glaube entscheidend. Die Zeit vor der Hochrenaissance war für sie das Ideal. Alles, was künstlerisch danach gekommen war, lehnten sie ab, und darum malten sie so, wie es davor üblich gewesen war. Die Rückwendung in eine Zeit, die nicht dem modernen Standard entsprach, war also aus dem Wunsch entstanden, die Kunst solle nicht nur irgendwelchen reichen Leuten oder Fürsten gefallen, sondern sollte wieder eine Funktion haben und dem Betrachter den Glauben nahebringen. Diese Idealisierung der Vergangenheit ist sicher auch der Tatsache geschuldet, dass man glaubte, es habe im Mittelalter noch ein wirkliches ‚Deutschland‘ gegeben, während in der Gegenwart alles zersplittert schien.
Es ist sicher verständlich, dass ein Mann wie Goethe, der ganz ‚klassisch‘ gebildet und orientiert war, nicht verstehen konnte, warum die romantisch gesinnten Künstler all das, was aus seiner Sicht die Kunst ausmachte, außer Acht ließen. Er drückte es etwas despektierlich so aus: Der Fall tritt in der Kunstgeschichte zum ersten Mal ein, daß bedeutende Talente Lust haben, sich rückwärts zu bilden, in den Schoß der Mutter zurückzukehren und so eine neue Kunstepoche zu begründen.“ (Wikipedia Overbeck)
Zum Abschluss dieses Briefes noch zwei Bilder, die Freundschaft und Verbundenheit zeigen.
Die Zeichnung auf der linken Seite ist von dem frühverstorbenen Franz Pforr, der nur 24 Jahre alt wurde. Dargestellt hat er eine ‚Allegorie der Freundschaft‘, die für Friedrich Overbeck bestimmt war. Zwei junge Frauen sitzen eng beieinander und reden. Über ihnen ist eine Abendmahlsszene dargestellt.
Als Franz Pforr so früh starb, übernahm sein Freund Overbeck Teile dieser Komposition für sein Bild ‚Italia und Germania‘. Ursprünglich sollte es ‚Sulamith und Maria‘ darstellen. Von Pforr gibt es ein Werk gleichen Titels, das auf die idealisierten Frauen der beiden Künstler verweisen sollte.
Später änderte Overbeck aber den Titel, um die Verbundenheit zwischen seinem Ursprungsland und der neuen Heimat zu zeigen.
Auf der linken Seite sitzt die ‚Italia‘ mit einem Lorbeerkranz im dunklen Haar. Hinter ihr sieht man eine italienische Landschaft mit romanischer Kirche. Die ‚Germania‘ hingegen ist blond und trägt einen Blütenkranz. Dahinter sehen wir eine deutsche Landschaft mit gotischer Kirche.
Was an dem Bild gleich auffällt, ist die harmonische Komposition, die Symmetrie der beiden einander zugewandten Frauen. Sie halten sich an den Händen und bilden eine Einheit. Dazu trägt auch die wunderbare Farbigkeit bei, das Rot des Oberteils der Italia wird im Rock der Germania wiederholt, ähnlich ist es mit dem Grüntönen. Auch bei den Landschaften entsteht trotz unterschiedlicher Inhalte eine enge Verbindung. Schaut man sich die Malweise an, dann ist sie wieder eher an Raffael und der Hochrenaissance orientiert.
Obwohl das Bild zunächst also nur die enge Verbindung der beiden Freunde symbolisieren sollte, ist daraus eine Darstellung der Verbundenheit zwischen Italien und Deutschland entstanden. Und das ist doch ein schöner Abschluss dieses Briefes.
Nächstes Mal geht es noch einmal um Künstler aus dieser Gruppe – bis dahin… alles Gute. Rainer Grimm