In diesem sechsten Rätsel geht es um ein Kunstwerk aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Künstler ist zwar kein Italiener – aber er hat einen deutlich italienischen Namen
Es handelt sich um eine Plastik, die aus einer Bodenplatte und mehreren Figuren besteht. Die Bodenplatte – sie ist wie auch die Figuren aus Bronze gefertigt – ist im Katalog mit den Maßen 62.5 X 42.8 cm angegeben. Auf dieser Platte befinden sich vier Männer und eine Frau. Die Frau steht still, ohne sich zu bewegen. Die Männer sind dagegen in Schrittstellung wiedergegeben, sodass man den Eindruck hat, dass sie sich mit großen Schritten von ihrem jeweiligen Standort vorwärts in Richtung der Plattenmitte bewegen. Alle Figuren sind stark stilisiert wiedergegeben, am Beispiel eines der vier Männer und der Frau soll das kurz erläutert werden.
Auf der mir vorliegenden Abbildung geht von der linken Seite ein Mann nach rechts. Sein eines Bein ist vorgestellt, der Oberkörper ist ebenfalls so weit nach vorn gebeugt, dass sich der Kopf über dem Fuß befindet. Das andere Bein ragt entsprechend schräg nach hinten, es bildet so mit dem Oberkörper fast eine Gerade. Der Fuß an diesem Bein steht nur noch mit der Spitze auf dem Boden, man hat den Eindruck, dass er sich gleich lösen und nach vorn schwingen wird. Die Oberarme hängen herunter, nur die Unterarme weisen leicht nach vorn.
Die Frau steht etwa in der Mitte des längeren Teils der Bodenplatte fast am Rand. Im Unterschied zu den Männern sind bei ihr die Beine eng aneinanderliegend, die Hüfte ist ausgeprägt, ihre Arme liegen eng am Körper an. Durch die Lücken zwischen Körper und Armen kann man ihre schmale Taille erkennen. Lange Haare fallen bis auf die Schultern herunter.
Die Körper aller Figuren sind extrem dünn, die Oberfläche ist rau und schrundig. Die Füße sind im Verhältnis zu den übrigen Maßen des Körpers zu groß. Details wie etwa Gesichtszüge oder Finger gibt es nicht. Auch viele andere Plastiken hat dieser Künstler so dünn geformt – er selbst hat dazu einmal gesagt: „Die Figuren in natürlicher Größe irritieren mich insgesamt, weil eine Person, die auf einer Straße entlang geht, kein Gewicht hat, in jedem Fall ist sie leichter als eine, die tot oder bewusstlos ist (….) Ohne darüber genauer nachzudenken, wollte ich diese Leichtigkeit wiedergeben, darum habe ich die Körper so dünn gemacht.“
Die schreitenden Männer werden, wenn man ihren Weg in die Zukunft verfolgt, aneinander und an der stehenden Frau vorbeigehen. Die dargestellte Szene zeigt so einen Augenblick, der nie wiederkehren wird. Auch dazu hat sich der Künstler geäußert. „Der Mensch auf der Straße überrascht und interessiert mich mehr als jede Skulptur oder jedes Gemälde. In jedem Moment fließt die Menge ohne anzuhalten, um sich zu vereinigen und sich erneut voneinander fortzubewegen. Ohne je zu posieren formt und gestaltet sie lebendige Kompositionen von einer unglaublichen Komplexität. (….) Und es ist tatsächlich die Totalität dieses Lebens, die ich in jeder Sache, die ich mache, wiedergeben möchte.“
Für die philosophische Haltung des Künstlers ist es sicher auch charakteristisch, dass er die Personen aneinander vorbeigehen lässt. Jeder Mensch ist einzeln in die Welt und – hier – auf die Bodenplatte gestellt.
Wie heißt der Künstler, welchen Titel hat die besprochene Plastik und welche philosophische Richtung drückt sich darin aus?
Und da es sich dieses Mal um ein plastisches Werk handelt, gibt’s als Hauptgewinn auch die nachträglich kolorierte Zeichnung einer Skulptur von Bernini. Es handelt sich dabei um den ‚David‘, den ich vor einigen Jahren in der Villa Borghese gezeichnet habe.
Mich hat dabei fasziniert, wie anders als etwa Michelangelo Bernini das Thema aufgefasst hat.
Wer richtig geraten hat, nimmt an der Verlosung der Zeichnung unten teil.
Auflösungen bitte an kunst@dik-hannover.de
Rainer Grimm